Bericht über die Denkwoche "Die Liebe, die Schönheit und das Spiel werden die Welt retten"

Von Margarete Zuk - Praktikantin 2022

Ein schon immer in mir schlummernder Gedanke, der nur darauf wartete ausgebrütet, belebt und beflügelt zu werden. Wie schaffen wir es, in einer Welt, die vermeintlich in nichts als Hass, Gewalt und Spaltung versinkt, klare Gedanken zu behalten, sich auf das Wesentliche zu besinnen und dem Ganzen auch noch selbstbestimmt entgegenwirken?

Die unterschiedlichsten Lebensrealitäten trafen aufeinander. Nicht, dass ich das nach drei wundervollen und surrealen Praktikumsmonaten in Orion, drei Denkwochen und zahllosen inspirierenden Begegnungen nicht kennen würde. Nein, dieses Mal war es anders. Ich war mitten im Geschehen, durfte zum Ersten Mal Mitspielerin sein und selbst in die Denkwochenmaterie eintauchen. Christian Jakobs und Leonie Novotny, die beiden ReferentInnen, begannen gleich am ersten Abend mit einem Spiel. Alle Teilnehmenden durften sich eine Karte mit einem der drei Begriffe auswählen, je nachdem, welcher sich gerade für den Moment am passendsten anfühlte. Am festlichen Abendtisch teilten alle ihre Gedanken mit. Mit welcher Intention bin ich angereist? Was bringe ich mit? Welche Bedeutung hat die Energie (alle waren sich von Anfang an darüber einig, die drei Begriffe als solche zu bezeichnen), die ich gewählt habe, für mich an diesem Abend, in dieser Runde? Ganz natürlich und wie von allein begann ein Gesprächsfluss, in den sich alle gleichermaßen einreihten und schon am ersten Tag alle von gegenseitigem Input profitierten.

Das Anfangsritual wurde für den nächsten Tag übernommen. Zu zweit, ganz durch das Herz-Gefühl zueinander geleitet, fanden wir zusammen und gingen tiefer auf die drei Energien ein. Wie hängen sie miteinander zusammen? Gibt es eine Basis? Und sollten wir überhaupt davon ausgehen, nur drei Energien sein ausschlaggebend? (Um)Denkend und hinterfragend erkundeten wir kritisch, welche Bedeutung sie für uns haben. Im Dialog in der Gruppe warfen wir scheinbare Gegebenheiten wieder über den Haufen, stellten neue Thesen auf und regten damit zum Perspektivwechsel an. Sonderbarerweise waren wir uns in zahlreichen Sichtweisen sehr nah und über vieles einig:

Bedingungslose Liebe ist die Quintessenz, wenn es darum geht, die drei Energien in eine Kohärenz zu bringen. Sie Ist Ausgangspunkt im Erspüren von Schönheit – vor allem der Inneren. Durch das Spielerische wird sie erkennbarer, besonders in ihrer vermeintlichen Abwesenheit. Vor allem in Zwischenräumen entstehen die drei Energien – in Begegnung, zwischen Räumen und Dingen. Immer dann, wenn wir einen Schritt zurücktreten, vermeintliche Gegebenheiten von außen (oder von oben, ganz wie man möchte) betrachten, den Blick von Irrelevantem abwenden und Situationen in ihrer Reinheit sehen, dann erkennen wir, dass Liebe, Schönheit und Spiel – im Einzelnen oder in Verbindung, präsent sind. Folglich kann ein Umdenken stattfinden, Unverhofftes wird sichtbar und wir erblicken die wesentlichen drei Energien. 

Sie können uns helfen Struktur entstehen zu lassen, sowie diese zu erkennen - vor allem durch das Spielerische, das für mich durch die Denkwoche eine neue Bedeutung gewonnen hat. 
Das Spiel zweiter Ordnung, das des wahren Lebens zu fassen, ist die Königsdisziplin. Zu Beginn zu begreifen, dass man Bestandteil eines von anderen gespielten Spiel ist, sei der erste Schritt. Zunächst mit Abstand die Position zu betrachten, die jeder in persönlichen, sozialen, aber auch politischen Zusammenhängen einnimmt, kann und wird helfen, Zusammenhänge zu verstehen.     

Wird mit mir gespielt? Welche Rolle wird mir zugeteilt? Mit wem spiele vielleicht sogar ich? 
Die Fähigkeit, seine Position zu verschieben, zu verändern oder sogar aus dem Spiel auszusteigen zeugt von Selbstbestimmung. Selbstbestimmung in dem Sinne, dass man anderen nicht mehr bedingungslos ausgeliefert ist und zum Opfer äußerer Strukturen wird. Ich bin keine Marionette mehr von Politik, die mich unzufrieden macht, denn es ist möglich, selbst ins Handeln zu kommen, auch wenn man sich noch so unbedeutend und unwirksam fühlt. 
Spielfigur zu sein bedeutet jedoch natürlich nicht zwangsläufig, dass man negative Komponente eines von außen gesteuerten Spiels ist, sondern auch Bereicherung. Aha, hier kann spielerisch mit einer Situation umgegangen werden, ich kann neue Entscheidungen treffen und die Regeln selbst mitschreiben – in Anbetracht der Liebe.

Diese, ja ich würde sagen, Erkenntnis hat bei vielen angeregt, selbst wirksamer zu werden. Wir alle kannten und kennen das Gefühl der Macht- und Hilflosigkeit. Diese neue Perspektive auf unser Handeln hat uns gezeigt, dass wir vor allem im Kleinen für uns und unsere Werte einstehen können. Die Maxime des Châteaus und der von Elke, dass die höchste Wirksamkeit in der der kleinen Kreise stattfindet, bewies sich als wahr. Es war unglaublich spürbar, wie wir uns gegenseitig durch unsere unterschiedlichen Blickwinkel, vor allem durch die immer wiederkehrende Partnerarbeit, bereicherten. 

Jedoch schlich sich immer wieder der Gedanke ein, dass diese neue Denk – und Handlungsform vielleicht nicht für anscheinend unerreichbare Kosmen gelten könnte, vor allem bei mir. Zu klein, um gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen, zu gutgläubig, zu naiv. Doch das Bewusstwerden, dass das Ergreifen von Eigeninitiative viel mehr in seinem eigenen, vermeintlich kleinen Umfeld größere Kreise ziehen kann (von dessen Umfang wir jedoch vielleicht niemals erfahren werden), hat Mut gemacht. Ein Umdenken fängt immer da an, wo man nicht zwanghaft versucht Menschen zu überzeugen, sondern dort, wo man im Kleinen, fast wie unabsichtlich einen winzigen Gedanken pflanzt. Man weiß nie, welcher noch so kleine Funke ein kleines Feuer auslöst, welche Überlegung Früchte trägt und ein Neu- oder Umdenken anregt. Allein oder in kleinen Gruppen gingen wir in uns und reflektierten, in welchem seiner Kreise das Einbringen der drei Energien am wirksamsten sein könnte. Alle konnten einen Kreis in ihrem Alltag finden, in dem sie selbst noch aktiver, autonomer und vor allem (das war der Konsens) spielerischer handeln möchten.

Die Übereinstimmung darüber, dass jede und jeder von uns wirksam sein kann, gibt Kraft. Wirksamkeit durch überzeugtes Handeln, Mut, aber auch die Fähigkeit loszulassen, dadurch Gegebenheiten mit Leichtigkeit anzusehen und einen Schritt auf dem Spielfeld zurückzutreten. Die Herausforderung besteht darin, all das in den Alltag zu tragen und sich dessen immer wieder bewusstzumachen. Damit trainieren wir unsere Geduld, Lockerheit im Anbetracht auf das Weltgeschehen, aber am allerwichtigsten: unseren Mutmuskel!                   

Tobias Premauer